Toni Bolliger (58) macht sich mit einem Velogeschäft in Aarau selbstständig – wie schon sein Grossvater.
Mit 16 Jahren hatte Toni Bolliger (58) nur eines im Kopf: Töffli. Das allererste, ein Geschenk des Vaters, hielt knapp ein halbes Jahr. «Ich bastelte in jeder freien Minute daran herum. Nur hatte ich damals noch nicht so viel Ahnung«, sagt Toni Bolliger lachend. Es ging so weit, dass er seine Lehre als Radio- und Fernsehelektroniker abbrach, weil er lieber «frisierte». Auf Drängen der Mutter suchte er sich nach einer neuen Stelle um – und wurde der erste Lehrling bei Grassi.
Hier arbeitete der Familienvater 38 Jahre. Jetzt macht er es seinem Grossvater Alfred Bolliger (Gründer «Velo Bolliger«) nach und eröffnet mit 58 Jahren in der Telli als Nachfolger von «Kudi» ein Fahrradgeschäft.
Den Vertrag mit Immobilieneigentümerin Coop hat Toni Bolliger vor einigen Tagen unterschrieben. Im März 2019 soll Eröffnung sein. Zu kaufen gibt es bei der Tiefgarage im Tellizentrum keine Töffli, sondern neue und alte Velos und E-Bikes. Die können in der künftigen Werkstatt auch in Reparatur gegeben werden. «Ich liebe es, alte Velos zu flicken», sagt Toni Bolliger. Ihm sei es wichtig, Fahrräder wenn möglich zu erhalten und nicht gleich wegzuwerfen.
«Der Beruf hat sich verändert»
Das nötige Handwerk dazu hat Toni Bolliger beim Aarauer Velohändler Lorenzo Grassi gelernt. Da gefiel es ihm weit besser als in seiner ersten Lehre. Fast vier Jahrzehnte lang blieb er, flickte Mofas und Velos, bildete seit einigen Jahren selbst zum «Mech» aus. Im Sommer gab's mehr Arbeit, im Winter weniger. Einen Vertrag hatte Toni Bolliger nie. «Der Beruf hat sich in den Jahren stark verändert. Als ich angefangen habe, gab's noch keine Mountain- geschweige denn E-Bikes.»
Nach Abschluss der Lehre machte sich Toni Bolliger auf nach Amerika, in die Heimat seiner Mutter. Da pedalte er über Monate von Nationalpark zu Nationalpark, übernachtete im Zelt. «Ich dachte mir: Mit Velo zu reisen ist billig und reparieren kann ich ja.» Auch zurück in der Schweiz blieb das motorlose Zweirad Toni Bolligers Lieblings-Transportmittel. Das Velo löste das Töffli ab. «Wenn ich Freunde in Luzern oder Grenchen besuchte, war klar, dass ich das Velo nehme.» Heute fahre er noch immer, wenn auch weniger. Am liebsten mit «Fritz», einem Rennvelo mit Jahrgang 1987, das dank Toni Bolligers Know-how noch tadellos läuft.
Aarauer Unternehmer als Opa
In einem Alter, in dem andere schon den Ruhestand planen, eröffnet Toni Bolliger nun sein eigenes Geschäft. Er habe viel Unterstützung von seiner Familie und Freunden, sagt der Vater vierer Kinder (20 bis 25 Jahre) mit sanfter Stimme. Und: «Es braucht Gottvertrauen.» Der Glaube spiele in seinem Leben eine grosse Rolle – auch beim Entscheid, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. «Vielleicht ist es auch ein wenig das Unternehmerblut», sagt der 58-Jährige. Nebst dem «Velo Bolliger» gründete sein Grossvater 1934 auch das Aarauer Elektrofachgeschäft «TV Bolliger». «Ich fühle mich mit Aarau sehr verbunden», so Toni Bolliger.
Seit er vier Jahre alt ist, wohnt er mit kurzem Unterbruch in einem Haus in der Telli. Dieses teilen er und seine Frau Mirjam zurzeit mit zwei ihrer Söhne. Die freigewordenen Zimmer sind Gastzimmer für verschiedene Freunde, auch Flüchtlinge aus Afghanistan.«Am Mittagstisch sind wir nicht selten um die sieben Leute», sagt Toni Bolliger.
Aus Afghanistan kommt auch der Praktikant, der im Laden mit anpacken soll. Er ist seit drei Jahren in der Schweiz und hat bereits im Iran lange als Mechaniker gearbeitet. Toni Bolliger sagt: «Wenns gut läuft, wird er mein erster eigener Lehrling.» Wie er selbst einst bei Lorenzo Grassi.
Selber bin ich mit dem Fahrrad weit in der Welt herum gekommen und habe verschiedene Länder mit meinem Velo erkundet: